In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gab es 10 Jahre nach der Würzburger Synode eine eigene Synode. Als ein Impuls dieser gemeinsamen Suche, Anregungen des Vat II für die Ortskirche fruchtbar werden zu lassen, entstand das Rottenburger Modell der Gemeindeerneuerung.

Jahre später tauchten viele Gedanken aus diese Vorgehensweise in einer Erfahrung aus Kanada wieder auf, dokumentiert von James Mallon. Weil es in dieser Reihe um Kirche und Gott in unserem Denken geht, zu Beginn ein Gebet aus der Bewegung JmeM (Jugend mit einer Mission).
Es ist dem Gebot aus dem Buch Deuteronomium verbunden, Gott mit ganzem Herzen zu lieben – und weiß darum, dass nur Gott dies möglich werden lässt.

Zieh mich hin zu Dir, Herr, lass uns zusammen laufen! Zieh mich hin zu Dir, o Herr, und halt mich fest. Komm und führe mich, Herr, in Deine Königskammer, in die Verborgenheit, wo Deine Liebe mich umfängt.

Ich will mich freu’n in Dir, ich will mich freu’n in Dir, ich will mich freu’n in Dir und fröhlich sein. Es ist recht, Dich zu lieben, Herr, es ist recht, Dich zu lieben, Herr, es ist recht, Dich zu lieben, Herr, Du mein König und mein Gott. Herzlich lieb hab ich Dich, o Herr, herzlich lieb hab ich Dich, o Herr, herzlich lieb hab ich Dich, o Herr, Du mein König und mein Gott.

Jim und Anne Mills (Text nach Hoheslied 1,4)

Divine Renovation

Buchtitel in Deutsch: Wenn Gott sein Haus saniert.

James Mallon hat als Untertitel gewählt: Bringing your parish from maintenance to mission

Es geht also um einen Kulturwandel in der Kirche am Ort – der Pfarrei.
Diesen Wandel strebt man aktiv an.

  • maintenance: Erhaltungsmodus — Welche Seiten einer Gemeindekultur, die sich dem Bestehenden verpflichtet weiß, möchte ich gerne verändert sehen?
  • mission: Auftrag — Welchen göttlichen Auftrag verbinde ich mit der Kirche am Ort – der Pfarrei?

(Es gibt ja sehr unterschiedliche biblische Kirchenbilder, zB. als Werkzeug, Bote, Diener, Leuchtturm, Lerngemeinschaft)

In seinem Buch ,,Divine Renovation”, auf welches ich durch einen Kontakt mit einen amerikanischen katholischen Pfarrer 2016 in London, Ohio, aufmerksam wurde, der mir mit leuchtenden Augen erzählte, wie er Freude an seinem Dienst hat und erlebt, wie seine Gemeinde sich verändert, erzählt James Mallon seine Geschichte als Pfarrer.

Ich kann zu vielen Erfahrungen einen persönlichen Bezug aufnehmen und war dankbar dieses Buch zu lesen, weil es mir half, die eigenen Erfahrungen im Kontext katholischer Theologie zu kommunizieren.
Durch meinen persönlichen Werdegang habe ich ja viel außerhalb dieses Kontextes gelernt.
Die Grundlagen des Rottenburger Modells der Gemeindeerneuerung hatte ich in meiner Abschlussarbeit während des Theologiestudium erkundet. Diese Arbeit ist hier einzusehen.

Auf diesem Hintergrund nun Themen, die James Mallon ausführlich beleuchtet, die bei mir sehr große Resonanz haben:

Eine wichtige Veränderung unserer Gesellschaft in den letzten 50 Jahren.

Vor 50 Jahren galt: Believing — behaving — belonging
nun gilt Belonging — behaving — believing

Kirche wird in der Gesellschaft nicht mehr genutzt, um Menschen zu formen. Diese Ära geht zu Ende. Jede Generation ,,tickt” anders. Die Frage ist, wie wir uns als Kirche dazu stellen.

Das Rottenburger Modell der Gemeindeerneuerung versuchte bis 2000 durch eine Kampagne Gemeinschaftserfahrungen in die Gemeinden zu transportieren – es ist gut möglich, Menschen zu unterstützen, authentisch Gemeinschaft zu erfahren. Übrigens empfiehlt das DR-Netzwerk bei einem Webinar dieses Vorgehen, als eine moderne Strategie aus den Erfahrungen der Beispielgemeinde Saddleback (in Kalifornien).

Welche persönlichen Erfahrung passen zum Wort Jesu passt (Mt 18,20): ,,Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” und haben die mir / anderen geholfen, den Glauben an Jesus zu vertiefen? Es wäre eine Erfahrung, wie Kirche real = wirklich wurde.

Als Einstieg in eine weitere Beobachtung von James Mallon eine Erfahrung aus meiner Zeit in der Moriz-Gemeinde in Rottenburg:

  • 1984 wurde ich Leiter einer Bibelgruppe
  • 1985 begann ich, in der Firmvorbereitung mitzuarbeiten und übernahm 1987 diesen Bereich. Jährlich schloss ich mit dem damaligen Pfarrer für jede Vorbereitung einen Vertrag, der sichtbar machte, was wir als Vorbereitungsteam der Gemeinde zusagen und welche Erwartungen wir an die Gemeinde haben.

Das zeigt gut, was Ehrenamt bezeichnet: Da ist eine Person, die sich freiwillig und regelmäßig für eine Aufgabe einbringt. Die Kirche vor Ort erkennt das an, beauftragt – ein „Amt” entsteht.

Reflexionsfragen: Unsere Kirche kennt für Aufgaben wie Laienleiter von Gebets- / Bibelgruppen oder Katecheseverantwortliche keine Vollzüge der Beauftragung, also der Einsetzung in dieses ,,Amt”.

Das gibt es nur für bezahlte Kräfte – die Mitglieder der Pastoralteams.

Was mag der Grund dafür sein?
Was könnte vielleicht auch anders gestaltet werden?
Wie könnte so etwas gehen?

Die Gemeinde als Ganzes ist Trägerin der Seelsorge – sagt die KGO – Seelsorger ist oft ein Synonym für hauptamtliche Person. Eine Frage, die diese Beiträge begleitet, ist: Was ist ,,normales” Christsein? Wir wollen in der Kirche Partizipation leben und Klerikalismus ist eine große Bremse für Erneuerung, Wachstum von Kirche – man kann nicht glauben lassen!

Manche vergleichen das Erstarken von Pfingstkirchen seit 1900 auf dem amerikanischen Kontinent mit der Reformation bei uns vor 500 Jahren. Ein Bischof aus Brasilien sagte uns: ,,Wenn er in eine Gemeinde schaut, ist er sich bewusst, jede Person, die keine Aufgabe bekommt, wird bei den Pfingstkirchen landen.” In seinen Gemeinden mit ca. 40000 Gläubigen pro Priester, gibt es 1000 Neuzugezogene-Beauftragte, 1000 …

Papst Franziskus kommt aus diesem Umfeld. Er bezeichnete beim Weltjugendtag in Brasilien Klerikalismus als zentrale Versuchung der Kirche – eine meist sündhafte Kollusion zwischen den Gläubigen und ihren Hirten.
Klerikalismus ist für ihn ein Miteinander von Mitgliedern des Volkes Gottes, die Aufgaben, die ihnen im Glauben zu kämen, an die abgeben, die dafür bezahlt werden, und diese nehmen es gerne an.

James Mallon verweist darauf, für viele Katholiken ist die Konzilsvorstellung des Volkes Gottes, des gemeinsamen Priestertums der Getauften weit weg. Ob unsere Kirche es schafft, nicht klerikal zu sein, muss die Zukunft zeigen. Kirche ist auch total klerikal lebbar.
Ein Beispiel bei uns ist die Neuapostolische Kirche – 2 Amtsträger auf 10-15 Familien.

Reflexionsfrage: Was glaube ich, kann helfen, dem vom Konzil gebahnten gemeinsamen Priestertum aller Getauften den Weg zu bereiten?

Der Grundimpuls Jesu vom Reich Gottes ist deutlich nichtklerikal. Er hat sich mit den Schriftgelehrten und Pharisäern sehr gerieben. Seine erste Predigt lautet, Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium. (Basisbibel übersetzt ,kehrt um’ mit ,Ändert euer Leben’) Dieses Ändern ist etwas, was Gott in uns wirkt. In Joh 3 sagt Jesus ,,Ihr müsst von oben her neu geboren werden.” (Basisbibel)

Are you saved? – Reborn Christian war in der Zeit, als ich in den USA studierte ein weiterer Begriff, den ich dort kennengelernt habe. Und es ist ein Begriff, der großen Sprengstoff in sich hat. Jedes Weihnachtsfest hören wir aus dem Johannesprolog: ,,Das Licht kam in die Welt, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.” Dieses Werden kennt wichtige Meilensteine:

  • Evangelisation als das Aufschließen / Teilen dieser Beziehung zu
    Christus ist zentrales Thema bei James Mallon / Divine Renovation.

Mallon zeigt auf, wie dieses Werden (jüngern) in den Dokumenten unserer
Kirche entfaltet wird.

  • Kennenlernen wird durch Beziehungen gefördert – das Belonging.\
    Menschen werden eingeladen – erleben, dass für sie gebetet wird -\
    spüren das Zeugnis des Lebens.
  • Bekehrung/Wiedergeburt ereignet sich in der Begegnung mit dem lebendigen Christus – persönliche Nachfolge beginnt.
  • Reifen geschieht durch Katechese und die Glaubenspraxis des
    Betens, Bibellesens, um so zu lernen, IHM zu folgen, wie ER anderen zu dienen.
  • Mitteilen lässt den Glauben konkret werden, Menschen erleben sich, als von Gott gesendet, als Bot*innen SEINER frohen Botschaft.

Reflexionsfragen:

Was könnte helfen, die Bedeutung von persönlicher Entscheidung (das Taufversprechen) besser bei den Gläubigen zu verankern?

Was würde mir selber helfen (hat mir geholfen)?

Spannung zur volkskirchlichen Katechesepraxis

Katechese erfolgt überwiegend mit Menschen, die nicht evangelisiert
sind, also noch keine persönliche Beziehung zu Jesus Christus begonnen
haben.

James Mallon entfaltet zur Sakramententheologie: im Konzil von Trient
entstand als Antwort auf die Reformation vor 500 Jahren eine Ausrichtung, die sich sehr um die Gültigkeit eines Sakramentes müht.

D.h. die Blickrichtung, wie Sakramente fruchtbar ins persönliche Leben
der Menschen unserer Zeit wirken, tritt so leider in den Hintergrund.

John Wimber und seine Pastöre bei der Konferenz zur Evangelisation aus
der Kraft des Heiligen Geistes, wiesen darauf hin, dass für die Menschen
heute Erfahrung größere Bedeutung hat. Sie wollen spüren, dass es Gott
gibt, bevor sie in Betracht ziehen, sich dieser Beziehung zu öffnen.

Pfr. Frings in Münster hatte u.a. deshalb die gemeindliche Kommunionvorbereitung als Fest der Tauferinnerung umgestaltet – und wer dann weiter machen wollte, erfuhr Katechese.

Erwartung + Willkommenskultur

Ein Workshop mit Zulehner zur Ritenkultur während meiner Ausbildung zeigte, Erwartungen an religiöse Praxis sind in der katholischen Kirche für viele fremd.

Was hilft ehrlich – Gott ehren zu wollen – mit einer großen Qualität
also zu den Menschen zu sagen: ,,Wir glauben, dass Gott in dir und durch
dich wirken wird. Wir erwarten das und du solltest dasselbe tun.”

Leider ist unsere nonverbale Botschaft oft: ,,Du bist hier hochwillkommen, aber wir erwarten nichts von dir und du sollst wissen, auch wenn du nicht kommst, bist du ein hochwillkommenes Glied unserer Gemeinde.

Reflexionsfrage: Welche Erwartung möchte ich einem Menschen weitersagen, der nach Sinn für sein Leben sucht?

Tür für die Menschen

Jede Kirche ist eine Generation vom Aussterben entfernt.

Es ist nicht klar, ob es gelingt, der nächsten Generation einen persönlichen Zugang zu dieser Beziehung zu Jesus Christus zu erschließen.

In der Literatur von Gemeindeentwicklung, Gemeindewachstum wird oft das
Bild der Tür verwandt – das Buch von James Mallon nutzt es als Cover.

Was ist die Tür, durch die Menschen zu Gott finden?

Für Mallon ist z.B. der Alpha-Kurs eine solche Tür.

Für Willow-Creek (eine Modellgemeinde in Chicago mit großer Ausstrahlung) sind es sucherorientierte Gottesdienste.

Reflexionsfrage:

Was ist in meiner Wahrnehmung eine ,,Tür” – also eine Gelegenheit, die ein Mensch nutzt, der noch keine persönliche Beziehung mit Jesus Christus hat, um diese für sich zu beginnen?

Was sollten wir deshalb als Glaubensgemeinschaft gezielt fördern?

Institutionelle Gesundheit einer Kirchengemeinde

Gallup, ein Meinungsforschungsinstitut, hat den ME 25 Fragebogen für
christliche Kirchen entwickelt, um institutionelle Gesundheit zu messen.

Eine gesunde Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Menschen, die geistlich
wachsen, anderen dienen und bereit sind, finanzielle Mittel zu teilen.

Hier zeigt sich, was es bedeutet, Kirche vor Ort ist ein System. ME 25 misst Früchte. Als Ergebnis gibt es Prozentzahlen für engagierte, nicht – engagierte + aktiv nicht – engagierte Gemeindeglieder. Mallon fing mit 24/47/29 an und konnte nach gut 2,5 Jahren 41/44/15 als Erfolg seiner Mühen sehen.

4 engagierte Glieder sind nötig, um die ätzende Gegenwart eines aktiv
nicht-engagierte Gliedes zu neutralisieren.

Statt die Menschen in der Gemeinde zu beknien, mehr zu geben, oder … ist es zielführender den Boden zu bereiten, damit das Reich Gottes (von selbst – automatisch) wachsen kann.

Reflexionsfragen:

Was vermute ich als Anteile in der eigenen Gemeinde?

Was könnte helfen, hier eine Veränderung zu bewirken?

Blockaden

Entrümpeln so überschreibt die deutschen Übersetzung das Kapitel, in dem Mallon auf innere Bilder fokussiert, die einer Erneuerung im Wege stehen. Ganz zentral ist dabei die Vorstellung der Gnade. In der katholischen Lehre gibt ein Miteinander von Glauben und Werken. Leider geht dieses Miteinander schnell verloren.

Eine Irrlehre mit Tradition (von Pelagius, einem Theologen zur Zeit des Augustinus,) betont die Werke. Immer wieder sind wir als katholische Kirche versucht, in Abgrenzung von protestantischer Theologie diese Spannung von sowohl als auch ungut so aufzulösen.

Mallon zitiert ein Gedankenspiel. Wir stehen vor der Himmelstür und Gott
fragt uns: ,,Warum sollte ich dich in den Himmel hineinlassen?”

Aktuelle katholische Glaubensformung bahnt kaum eine Antwort auf das
Passiah-Geheimnis, das unser Leben verwandelt und uns schenkt, Gottes
Liebe Raum zu geben, die sich in Früchten von guten Werken zeigt. Gnade
ist unverdient, ein Geschenk, das aufgenommen werden will – ausgepackt,
wenn dieses Bild hilft. Nett und brav sein (als Einstiegsbedingung) ist im Grunde eine Form der Irrlehre des Pelagius. Mallon spitzt dies dann so zu: ,,Gott ist mein Kumpel, der nichts von mir verlangt, außer, dass ich mir selbst treu bin, und der mich natürlich im Himmel weiterfeiern lässt.”

Leitungskompetenz: In diesem Zusammenhang schaut Mallon, wie auch
andere amerikanische Autoren auf gute Beispiele der Kirchenszene, die
teilweise auch ihren Ruf darin sehen, andere christliche Leiter zu
fördern.

Ein Pastor aus Kalifornien leitet eine Gemeinde – Saddleback, die, für viele beispielhaft, unkirchliche Menschen mit dem Evangelium erreicht.
Dieser Pastor, Rick Warren, Bestseller-Autor mit dem Buch ,,Purpose driven Life”, ist in vielem innovativ und zielgerichtet, Menschen zu einem Leben in der Gnade anzuleiten.

Leiten im Umfeld der Kirche soll ja anders sein – es geht nicht darum, Macht auszuüben, zu unterwerfen. Gleichzeitig gilt es, Widerstände zu überwinden, und immer neu sich aufzumachen, um den Auftrag gut zu leben, den Matthäus uns von Jesus überliefert hat: ,,jüngert”

Reflexionsfragen:

Was würde ich als Maß nehmen, um zu prüfen, ob wir als Kirche am Ort auf
dem richtigen Weg sind?

Welche Früchte eines Wachsens im Glauben sind für unsere Kultur da passend?

Abschluss – mit einem Text aus dem Matthäusevangelium Kap 11.

Der Dank Jesu an den Vater – Verse 25-27

In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und
der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den
Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir
ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur
der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der
Sohn offenbaren will.

Vom leichten Joch Jesu – Verse 28 – 30

Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.
Kommt zu mir und ich gebe euch Ruh’.
Nehmt mein Joch und lernet von mir,
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
So werdet ihr finden Ruhe für eure Seelen,
denn mein Joch ist sanft, und meine Bürde ist leicht.

Melodie M. Warrington


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