Berufungscoaching

Systemische Gedanken waren in den anderen Beiträgen auf das System von Kirche im Blick. Diese Weise, Wirklichkeit zu sehen, wird in modernen therapeutischen Ansätzen genutzt, passt also auch als Hilfe für pastorales Handeln.
Viele moderne Zugänge zu Therapie und Menschenführung nutzen das systemische Denken. Systemisches Denken wird zB. in der Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer fruchtbar gemacht.
Die drei Basisregeln des lösungsorientierten Vorgehens nach de Shazer:

  • Wenn etwas nicht kaputt ist, dann repariere es auch nicht.
  • Wenn du weißt, was funktioniert, mache mehr davon.
  • Wenn etwas nicht funktioniert, dann höre auf damit; mache etwas ander(e)s.

Im Kontext der Reihe Kirche weiter denken bietet sich als Frage zum Austausch an:
Wenn ich auf Kirche schaue, dann funktioniert (nicht) \ldots

Jesus als Coach

Ein Buch zu den Evangelien Jesus als Coach beschreibt Jesus als meisterhaften Coach. Die Inhalte dieses Beitrags verdanken sich teilweise einem Kurs Systemisches Berufungscoaching von Prof. Dr. Alexander Kaiser UAC. Mehr dazu auch auf https://wave.co.at/

Die systemische Weltsicht geht davon aus, dass wir unsere Wahrnehmungen ,,konstruieren“. Die Wirklichkeit ist nicht wirklich wirklich – alles Erlebte ist subjektiv und entsteht im Auge des Betrachters. Niemand kann objektiv beobachten: Beobachter sind Teil ihrer Beobachtung. Menschen „sind“ nicht, sondern sie „verhalten“ sich – sie können sich im nächsten Augenblick auch ganz anders verhalten und sich fast als „neuer Mensch“ präsentieren. Diese Sichtweise regt auch beim ,,Kirche weiter denken“ an.

Wichtige Bibelstellen zum persönlichen Wachstum für Herrn Kaiser:

  • (Joh 10,10) Jesus sagt: ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Menschen, die Jesus folgen, dürfen das erleben!
  • (Weish 2,23) Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. D.h. Der Mensch ist aufgefordert ganz Mensch zu werden, indem er das Göttliche in ihm entfaltet. Der Mensch ist als Ebenbild Gottes geschaffen
  • (Röm 8,28f) Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei.

Wie ereignet sich ein Coachin? Die Wunderfrage ist ein Beispiel für dieses anderen Denken:
Angenommen – es passiert ein Wunder – ein Engel Gottes kommt und die Probleme in unserer Kirche sind über Nacht weggenommen.

  • Wie würden Sie das merken?
  • Was, wäre anders?
  • Wie wird XYZ davon erfahren, ohne dass Sie ein Wort darüber zu Ihm/Ihr sagen?
  • Wer würde das als erste(r) merken?
  • Woran würde (…) es merken?

Systemische Theoriegrundlagen

System ist in diesem Zusammenhang ein Konstrukt (ein Hilfsmittel zum einfacheren Arbeiten), das aus Strukturen, Regeln, Beziehungen, Kommunikationen und Handlungen besteht – die von den Menschen, die dieses System bilden, erzeugt werden.

Systemisches Denken

  • ist zirkulär – alles hat wechselseitig Einfluss aufeinander. Es gibt keine eindeutigen „Ursachen“ oder „Schuldigen“, sondern Beteiligungen unterschiedlicher Art und Ausmaßes. (Menschen können sich in verschiedenen Systemen völlig unterschiedlich verhalten.)
  • denkt in Auswirkungen – Menschen können frei wählen, und übernehmen die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns.
  • ist zielorientiert, nicht „Ursachen“- und vergangenheitsorientiert – das Problem ist von der Lösung unabhängig.

Annahmen zum Coaching

Systemische Arbeit ist Prozessarbeit – der Kunde bleibt Experte für die Inhalte, der Coach gestaltet den Prozess.
Menschen denken in eigenen Mustern – Coaching unterstützt, weniger hilfreiche Denkmuster zu unterbrechen bzw. neue zu finden.
Problemlösungen können durch passende Verstörung von außen angeregt werden. Die Arbeit geschieht im Beratung-, nicht im Heimatsystem – im Coaching werden mit dem Kunden Maßnahmen für dessen Leben erarbeitet. Diese muss der Kunde in seinem Leben selber leben.

Kardinal John Henry Newman (+ 1890): „Ich bin berufen, etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist. Ich habe einen Platz in Gottes Plan auf Erden, den kein anderer hat. Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen.“

Anstoßfrage zum Austausch:
Es gibt Überlegungen, die Rolle der hauptberuflichen Seelsorger*innen als Coaches zu sehen. Welche Denkmuster der Kunden (der ,,normalen“ Gemeindeglieder) würde es lohnen zu unterbrechen?

Grundhaltungen beim Coaching ermöglichen ein
Fundament der Beziehung, als Begegnung, die für alle Beteiligten bereichernd ist.

  • öffentlich machen, um negative Interaktionszirkeln in der Kommunikation aufzulösen (wesentlichste Methode)
  • kooperieren auf gleichen Ebenen, um Ressourcen miteinander freizusetzen (Voraussetzung)
  • reflektieren – vor allem, wenn es gemeinsam erfolgt – ermöglicht, Veränderung auf allen Ebenen zu bewirken,
  • respektieren der Einzigartigkeit und Originalität des Anderen (indem was und wie er ist)

Ziel: Was will der Kunde in der Sitzung erreichen bzw. was soll am Ende der Sitzung anders sein, so dass K. sagen kann „es war nützlich …“

Auftrag: Was kann/soll der Coach tun, damit K. das Ziel erreicht (bzw. um gemeinsam mit K. das Ziel zu erreichen)

Das Klären des Auftrags ist wie ein Vertrag, den Coach und Kunde schließen. Das braucht Energie am Anfang eines Kontaktes, lässt dann den Kontakt spürbar besser gelingen.

Berufung – eine Definition

Aristoteles: „Wo sich deine Talente mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, dort liegt deine Berufung.“

Erweitert: „Wo sich deine Talente, deine Sehnsüchte und Träume mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, dort liegt deine Berufung.“

ENT - DECKEN
STÄRKEN
SENDEN

Ein Hinweis des schwedisches Autor Magnus Malm unterscheidet nochmals Auftrag und Berufung. Er beobachtet in den Evangelien, Berufung ist der Ruf in die Nähe Gottes zu Jesus Christus. Dann erfolgt die Sendung, der Auftrag. Dieser Auftrag, der mit all dem zusammenhängt, was im Coaching gemeinsam gehoben wird, kann / darf auch mal scheitern. Die Berufung in die Nähe Gottes hat Bestand.

Bezug zu den Leitgedanken unserer Ortskirche im Dokument Gemeindeleitung im Umbruch 1997 Berufung des Volkes als »Mitarbeiter Gottes«

  • Wo glaubende und suchende Menschen sich als Mitarbeiter/-in Gottes begreifen lernen und ihre Kompetenz, ihre Lebens- und Glaubenserfahrung, ihre unterschiedlichen Begabungen einbringen, nehmen sie auch Verantwortung für ihr Leben und für ihre Welt wahr. Darüber hinaus sind sie eingeladen, in allen Prozessen des Gemeindelebens nicht nur ausführend, sondern mitverantwortlich tätig zu werden.
  • Ehrenamtliche Tätigkeit hat eine Qualität eigener Art. Der freiwillige Einsatz von Zeit und Kraft, von persönlichen Begabungen und Interessen muss für diejenigen, die bereit sind, ihn zu leisten, als sinnvoll erlebt werden können und Möglichkeiten bieten, selbst als Person dabei zu lernen und zu wachsen.

Frage: Diese Berufung ist aktuell nicht sehr präsent – welche Denkmuster waren dafür vielleicht zu präsent / oder haben gefehlt?

Weitere wichtige Impulse zu systemischer Sicht von Kirche

In seinen Büchern zur natürlichen Gemeindeentwicklung beleuchtet Christian Schwarz, ein evangelischer Theologe diese Sichtweise so, dass sie mehr vereinbar ist mit anderen Weisen, Theologie zu betreiben.

Systeme organisieren sich selbst in einem Gleichgewicht der unterschiedlichen Kräfte. Die Vorstellung der kreativen Spannung von Peter Senge zeigte dies gut (2. Abend). In einer Reihe von Büchern, die 3 – Farben von … gibt es Hinweise / Gedanken dazu, wünschenswerte Kräfte gezielt zu bestärken, z.B. in dem man sich

  • der eigenen Gaben / Charismen mehr bewusst wird
    Die 3 – Farben deiner Gaben Talente
  • des persönlichen Grundantriebs bewusster wird
    Die 3 – Farben der Gemeinschaft Sehnsüchte

Christian Schwarz argumentiert, dass die (kleine) Gemeinschaft dem Einzelnen hilft, mit der Energie, die Gott in ihn gelegt hat, so umzugehen, dass diese ihn nicht zur Sünde verleitet, sondern dazu bringt, Gott und den Menschen in angemessener Weise näher zu kommen.

Es ist in diesem Sinn eine Kraft, die hilft, dem eigenen Auftrag auf der Spur zu bleiben. Sünde in der religiösen Sprache meint ja, diesem Auftrag nicht zu entsprechen.

Ein Selbsttest hilft, sich der wichtigen Energien im eigenen Leben bewusster zu werden.
Vielleicht motivieren diese Überlegungen dazu, gezielter auf die Kleingruppen in der Gemeinde zu schauen, also auf die 1. Ebene der Kirchlichkeit.

So fragt C. Schwarz: Warum es nicht reicht, „Nein“ zur Sünde zu sagen?

Oft ist wichtig, klar zu haben, was ich nicht tun will (Nichtziele) aber nur „weg von …“ ist nicht zielführend. Jede(r) braucht konkrete, positive Ziele, die im Glauben an den dreifaltigen Gott, der in sich ja Gemeinschaft ist, gut mit Gemeinschaftsmerkmalen verbunden werden.

Innere Bilder dieses Verständnis von Coaching. Es:

  • ist eine lösungsfokussierte, zeitliche begrenzte Begleitungsform, die thematisch definiert ist
  • baut auf die ressourcen- und lösungsorientierten Kompetenzen des Kunden, die gefördert und aktiviert werden können. Die Lösung liegt beim Kunden.
  • ist ein Expertendialog – es wird auf einer gleichwertigen Ebene kooperiert
  • KundInnen haben alle Ressourcen, die sie zur Lösung ihres Problems benötigen, nur ist ihnen vielleicht derzeit der Zugang zu diesen Ressourcen verstellt.
  • Ein Sichtwechsel wird nötig, der Coach hat die Aufgabe, die (derzeitige) Wirklichkeitskonstruktion der KundIn behutsam zu verstören.

Abschlussfrage: Ist im Laufe des Beitrags ein weiteres Denkmuster / eine Wahrnehmungskonstruktion bewusst geworden, welche(s) verstört werden sollte / könnte?


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