Glauben und Beten lernen

Die Frage, wie Menschen einen Zugang zum Gebet und zum Glauben finden, begleitet mich schon ziemlich lang.

Persönlich fällt mir ein Zugang eher leicht. Geholfen haben da Erfahrungen aus der Herkunftsfamilie und der Glaubenspraxis dort.

Diese Grundlage muss dann ja eine eigene Form finden, Erfahrungen aus der Schul- und Ausbildungszeit halfen mir, einen eigenen Stand zu finden, erste Entscheidungen für die Lebensgestaltung zu ergreifen.

Eine wichtige Entscheidung in meiner Lehrzeit war die Erfahrung von verbitterten Kollegen, die das Gefühl hatten, das Leben war nicht fair zu ihnen, und meine Resonanz darauf: So bitter wie diese Kollegen will ich im Leben nicht werden – da werde ich so weit ich es kann, gegensteuern. Gleichzeitig wurde mir auch bewusst, dass ich durch die bisherige Sozialisation kaum in der Lage war, auf Anfragen an den Glauben zu reagieren. Vieles war gefühlt vor 40-50 Jahren in den Kreisen, in denen ich mich in Deutschland bewegte, selbstverständlich.

Während der Studienzeit in den USA war das anders, Fragen, wie ,,Are you saved?“ konnte ich nicht beantworten und Vorstellungen wie das persönliche Gebetsleben waren für mich fremd, forderten mich heraus und förderten die persönliche Glaubensgestalt dann auch. Die Beobachtung, dass Fordern und Fördern auch im Bereich des Glaubens zusammenpassen, begleitet mich seitdem. Sie passt auch zu anderen Seiten des Lebens, ob im Sport oder auch der beruflichen Ausbildung, ob als Ingenieur oder später auch als Theologe. Sie ist in manchem quer zur menschlichen Bequemlichkeit, die dazu verleitet, mancher Forderung aus dem Weg zu gehen und so das dahinter steckende Fördern nicht zu erleben. Die biblische Ermutigung, so eine Forderung anzunehmen, höre ich im Wort Jesu vom Aufnehmen des eigenen Kreuzes. Eine systemische Einsicht passt ebenfalls dazu: Peter Senge hat als einen Systemarchetypen die Problemverschiebung formuliert, eine Weise, die abhängig werden lässt.

Seit Mitte der 80er Jahre habe ich mich dann in der Begleitung von Jugendlichen in deren Firmvorbereitung engagiert und Glaubensgruppen von Erwachsenen begleitet. Gemeinde als Subjekt – war Thema meiner theologischen Abschlussarbeit. Während dieser Ausbildung konnte ich wahrnehmen, bei einem Workshop zur Ritenkultur geleitet von Paul Zulehner, dass diese Haltung Fördern durch Fordern den meisten Teilnehmenden fremd war und vermutlich bis heute ist.

Denn wer genauer in dieses Themengebiet einsteigt, wird sich schnell bewusst, Glaube und Beten sind Seiten einer Beziehung und der Start dieser Beziehung wird jedem Menschen geschenkt, ist Gnade, sagt die Theologie dazu. Es braucht eine besondere Haltung, diese Gnade zu erkennen. In seinem Buch ,,Flowers in the desert“ denkt der Benediktiner Dumm über Glaube als Antwort auf erfahrene Liebe nach, ein Zugang, dem ich einiges abgewinnen kann und den ich hier stärker ausführe.

Oft erzählten Menschen von Erfahrungen, die ihnen geholfen haben, die gleichzeitig auch genau das Gegenteil bewirken könnten. Z.B. ein großer Druck im Elternhaus, regelmäßig als Familie den Rosenkranz zu rezitieren.

In einem kreativen Projekt mit Flüchtlingen im Jahr 2015 in Stuttgart, mitgestaltet von Auszubildenden des Marienhospitals, kam gut heraus, die Flüchtlinge machten sehr schwere Erfahrungen und konnten dabei teilweises zumindest auch für ihren Glauben profitieren. Andere, die diese Erfahrungen wahrnahmen, fühlten sich dadurch noch weiter vom Glauben entfernt.

Und natürlich gilt, weg wird Weg im Gehen, das Fassen eines Entschlusses ist da ein wichtiger Schritt im Glaubensleben.
Darüber habe ich hier etwas mehr nachgedacht.