Wer darüber nachdenken möchte, was dabei helfen kann, einen persönlichen, tragfähigen Glauben zu erlangen, dem können Gedanken von Demetrius Dumm OSB helfen, die dieser in seinem Buch ,,Flowers in the desert“ ausgeführt hat.
Ausgangspunkt – Exodus
In diesem Buch entwirft er eine biblische Spiritualität, die sich herausgerufen weiß aus Abhängigkeit in eine Freiheit des Bundes mit Gott. Alle Menschen sind zur Freiheit berufen, schreibt er, aber nicht frei geboren. Es gibt viele Abhängigkeiten, die Menschen oft in subtiler Art unfrei werden lassen. Dies ist eine Seite unserer menschlichen Existenz.
Auf diesem Hintergrund kann sich Befreiung ereignen, die modellhaft in der Exodusgeschichte erzählt wird. Wir erleben mit, wie Mose von Gott am brennenden Dornbusch gerufen wird, dort Gottes geheimnisvolle Gegenwart im offenbarten Namen zugesagt bekommt. Gott wendet sich aus Mitleid seinem Volk zu und führt es in die Freiheit. Dies ist die wichtigste Lektion aus dieser Geschichte des Alten Testaments. Nicht brutale Macht führt in die Freiheit, sondern die sanfte Liebe – eine kontinuierliche Anfrage an das Gesetz des Stärkeren, welches in vielen Situationen sich als Denkmuster zeigt.
Die Freiheit führt dann zu einem Bund, als Quelle neuen Lebens, neuer Hoffnung und großer Freude. Mit diesem Bund gibt es dann Konsequenzen für das eigene Handeln. Das Bewusstsein für die Güte und Gegenwart Gottes, der aus der Abhängigkeit geführt hat, darf nicht verschwinden, ist der Raum des Lebens, der sich dann u.a. in den 10 Geboten entfaltet. Aus diesem Bewusstsein heraus erzählt dann die Bibel vom Ursprung des Menschen, der Schöpfung.
Narrative Theologie
Für das eigene Selbstverständnis ist die Erzählung, heute sagt man auch, das Narrativ, von großer Bedeutung. Das gilt natürlich auch für den Glauben und die Erzählung ist in der Bibel zentral, um Glaubenswahrheit zu transportieren. Daher gilt es, sich immer wieder an diese Weise der biblischen Offenbarung zu erinnern. Dabei reicht es nicht, die Erzählung zu hören. Glaubende müssen sich als Teilnehmende an dem erzählten Ereignis erleben können. Das wird in der Praxis des Sedermahls im jüdischen Kontext deutlich, aber auch in der Eucharistiefeier in der christlichen Praxis. Die Feier vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag verdeutlicht dies durch den Zusatz der Worte das ist heute zum Einsetzungbericht. Daher hat die Liturgiekonstitution im Vat II auch das Leitbild der aktiven Teilnahme am Gottesdienstgeschehen. Da Gott nicht an Raum und Zeit gebunden ist, gibt es geheimnisvoll eine Ebene in dem erinnerten Ereignis, auf der diese aktive Teilnahme möglich ist.
Die Entdeckung des Geschenkcharakters des Lebens
Ein Wort, welches in besonderer Weise den Geist der Bibel bezeugt, ist das Wort ,Verheißung‚. Christen und Israeliten sind ein Volk der Verheißung. Gott kommt wahrhaftig in Kontakt mit der Geschichte der Menschen, erwählt im Ereignis des Exodus das Volk Israel. Jesus wurde zur Zeit des Ponitus Pilatus Mensch. Seit diesen Anfängen leben Glaubende nun in der Erwartung einer verheißenen Vollendung. Und es lohnt die Vergewisserung, was mit dem Begriff Glaube gemeint ist. Niemand wird zum Glauben gezwungen. Glaube ist ein Geschenk Gottes und freie Entscheidung von der Seite der glaubenden Person, dieses Geschenk anzunehmen. Es ist etwas sehr persönliches und entzieht sich daher auch einer Definition. Natürlich gehört die verstandesmäßige Zustimmung zu offenbarten Wahrheiten dazu, gleichzeitig ist die intuitive Zustimmung zum Geschenkcharakter der Wirklichkeit und der Güte und Treue Gottes grundlegender. Der Glaube öffnet uns für das Gute, welches im Verborgenen gegenwärtig ist, welches anderen dann oft verborgen bleibt. Offenbarung, so schreibt Demetrius Dumm, ist nicht nur eine abstrakte Wahrheit, sondern zuerst und grundlegend ein Ereignis, eine göttliche Geste der Liebe. Erst durch die Erfahrung dieses Ereignisses im eigenen Leben kann Glaube entstehen. Wir hören Gottes Ruf, indem wir Seine Liebe spüren, wenn wir in das Ereignis eintauchen, in dem Gott die ganze Schöpfung beschenkt.
Gefährdung des Glaubens und seine angemessene Ausrichtung
Eine bewusste Glaubensantwort entsteht nicht von selbst. In der Kindheit bestimmen Muster der Herkunftsfamilie den Glauben und das Erwachsenwerden fordert auch in dieser Dimension des Menschseins heraus. Manchmal wird die Entscheidung vertagt und das führt, so Demetrius Dumm, zu einer unreifen und unfruchtbaren Weise des Glaubens. Noch problematischer wird es, wenn der Glaube an der Oberfläche bleibt. Dann bleiben diese Personen im Grunde ihrer Ausrichtung unbekehrt, man könnte auch sagen, Heiden. Natürlich bemühen diese Menschen sich i.d.R. um ein gutes Leben. Das Unterscheidungsmerkmal ist die Frage der Kontrolle. Wer die Kontrolle über das Leben behalten will, kann in vielem dem Saulus der Apostelgeschichte gleichen. Glaubende lernen, sich mehr und mehr dem geheimnisvollen, liebenden Wirken Gottes anzuvertrauen, weniger zu kontrollieren, weil sie dies als Illusion erkannt haben. Diese glaubende Ausrichtung des Lebens ist
- gegründet in der Wahrheit
- traut dem Geschenk des Lebens
- motiviert zu liebevollem Dienst
- inspiriert das Gebetsleben
In der Wahrheit gegründet
Die Wahrheit, dass wir Menschen nicht die Kontrolle über unser Leben haben, wird u.a. durch die Symbolgeste Jesu bewusst, der ein Kind in die Mitte der Jünger als Vorbild stellt. Das Kind hat in der eigenen Familie wenig zu sagen, die persönlichen Kontrollmöglichkeiten sind so weit weg, dass sie keine Bedeutung haben. Das öffnet den Blick für die Möglichkeiten, die Gott schenkt. So erschließt sich auch die Erkenntnis, die Paulus im 2. Brief an die Korinther ins Wort bringt. ,,Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Glaubende dürfen sich nicht verantwortungsvollen Aufgaben mit Einflussmöglichkeiten entziehen. Es wäre ein Fehler, würden sie diese Einflussmöglichkeiten anders deuten, als eine Möglichkeit für liebevollen Dienst. In diese Richtung gilt es das eigene Interesse zu orientieren, nicht in Richtung von Macht und Kontrolle, als einer zentralen Illusion des Lebens.
Dem Geschenk des Lebens trauen
Glaube beginnt mit Erfahrungen, die von Gott gewirkt sind, oft durch andere Menschen vermittelt oder auch durch die Schönheit und Fülle der Natur. Dieses Geschenk kann mit Misstrauen empfangen werden oder mit dem Trauen der Verheißung. So entsteht dann ein Abenteuerweg, auf dem sich das Grundgeschenk Gottes entdecken lässt. Eine wichtige Erzählung zu diesem Weg ist die Geschichte des Königs David. Sie entfaltet sich auf dem Hintergrund der Geschichte des Königs Saul, die zeigt, wie das Misstrauen dem Glauben im Weg steht. David vertraut Gott, dem Leben und sich selbst genug, um das Risiko einzugehen, welches eine wahrhaft freie Person kennzeichnet. Den Kampf mit Goliath besteht er, weil sein Gottvertrauen ihn befähigte, sich selbst zu trauen und aus dem, was ihm an Talent und Kreativität anvertraut war, das Meiste zu machen. Saul war einem alten Denken verhaftet, wollte dem jungen David seine Rüstung für den Kampf geben – David sah neue und bessere Wege. David ist viel mehr als eine historische Person. Er ist Modell für eine wirklich glaubende Person. Wahrer Glaube befreit und jeder wahrhaft Gläubige wird im Grunde eine David-Figur sein. Niemand ist so perfekt, dass er nicht auch Anteile von Saul in sich hat. Wer sich nicht bewusst für die Haltung des David entscheidet, ist immer in der Gefahr. zu verbittern und böse zu werden.
Jesus wird im Neuen Testament als Sohn Davids bezeichnet, auch weil er diese Glaubensperspektive in vollkommender Weise verkörpert.
Liebevolle Dienstbereitschaft
Gottes liebevolle Erwählung bedeutet auch eine Erwartung, in gleicher Weise das Leben zu gestalten. Es gilt natürlich, sich immer wieder des eigenen Interesses bewusst zu sein. Das Geheimnis einer angemessene Motivation für das eigene Verhalten liegt in der Art und Weise des Empfangs der Freiheit, die dieses Verhalten ermöglicht. Wahre Freiheit entsteht nur durch Liebe. Gottes Liebe ermöglichte den Exodus. Wer Freiheit als geliebte Person empfängt, weiß instinktiv, dass es eine Freiheit für liebevolles Engagement ist, so dass auch andere an dieser Befreiung teilhaben können. Diese Ausrichtung wird als Option für die Armen immer wieder in der Bibel ins Wort gebracht. Demetrius Dumm buchstabiert diesen Gedanken auf das Jüngste Gericht so: ,Die erste Frage, die dann gefragt wird, lautet: Hast Du mein Volk ziehen lassen? D.h. wir werden gefragt, ob wir unsere Freiheit wie der Pharao genutzt haben, um zu herrschen, zu kontrollieren, zu versklaven oder wie es Gott tut, zu lieben, zu befreien, schöpferisch zu sein.
Hier erschließt sich übrigens eine sehr spannende Verbindung zu Freier Software und den Werten, die hinter dieser Bewegung stehen.
Inspiration für das Gebetsleben
Wenn David das Modell eines Gläubigen ist, dann ist es naheliegend auf den Gebetsschatz der Psalmen zu schauen. Sie möchten die Betenden in den Lobpreis führen, in diese Beziehung zu Gott, die einem Gläubigen entspricht. Daher ist es keine gute Idee, nur ausgewählte Psalmen beten zu wollen. Die kontinuierliche Gebetspraxis, so beobachtet Demetrius Dumm, lässt den Glauben wachsen, ermöglicht auch in größeren Herausforderungen etwas von Gottes Güte zu entdenken und dafür dann Gott zu danken. Diese verborgene Güte bliebe sonst ja unbemerkt. Nur das Dunkel des Geheimnisses wäre da. Diese Praxis verwandelt so die Betenden und ermöglicht ihnen, Gott in unerwartenten Situationen des Lebens zu begegnen, die oft erst als Störung erscheinen und dann glückliche Überraschungen werden.