Bibelstellen
Mal 3,19-20b und Lk 21,5-19
Predigt: Liebe Mitchristen
An fast jedem Sonntag beten und bekennen wir im Glaubensbekenntnis von Jesus Christus: er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Das Evangelium und auch die Lesung machen mir deutlich, wie weit diese Glaubensaussage von den alltäglichen Lebensvollzügen entfernt sein kann. Bei einem zeitgenössischen Liedermacher Manfred Siebald fand ich dazu folgendes Lied:
Wir haben es uns gut hier eingerichtet — Der Tisch, das Bett, die Stühle stehn, der Schrank, mit guten Dingen vollgeschichtet. Wir sitzen, alles zu besehn. Dann legen wir uns ruhig nieder und löschen, müd vom Tag, das Licht und beten laut Herr, komm doch wieder. Und denken leise: Jetzt noch nicht.
Es musste manches lange Jahr verfließen, bis alles stand und hing und lag. Es ist nicht viel, doch wollen wirs genießen, freu’n uns auf jeden neuen Tag. Das Glück hält unsre Sorgen nieder und webt die Stunden dicht an dicht. Wir sind gewiss Der Herr kommt wieder. Und denken still doch: Jetzt noch nicht.
Ist uns der Himmel fremd geworden, kann uns nur noch die Erde freun? Soll unser Süden, unser Norden die Grenze unsres Lebens sein? Vom Himmel singen unsre Lieder, doch nie vom irdischen Verzicht. Wir singen laut: Herr, komm doch wieder. Und denken leise: Jetzt noch nicht.
Mag sein, wir sahen nur die vielen Gaben und sah’n darin den Geber nicht, von dem wir doch erst alle Freude haben und der uns noch viel mehr verspricht. Wir wollen neu das Sehen üben und auch das Danken nicht zuletzt. Dann sagen es bald nicht nur unsre Lippen: Herr, komm doch wieder. Herr, komm jetzt.
Dieses Lied ist schon über 35 Jahre alt, und manches wird heute nicht mehr so zutreffen, es gibt wohl mehr Sorgen, aber das Zögern, das Manfred Siebald beobachtet, wenn es um das Kommen Gottes in unsere Welt geht, um die Wiederkunft Christi, das ist wohl immer noch da. Wie geht es Ihnen mit dem Gedanken an die Wiederkunft Christi, an ein Ende der jetzigen Situation?
Die Bilder des Evangeliums könnten fast den Nachrichten entstammen. Zu allen Zeiten ziehen Katastrophen Menschen an. Jesus geht nicht so sehr um äußere Zeichen. Etwas vorher im Lukasevangelium sagt er, das Reich Gottes ist schon mitten unter euch, aber es kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann es nicht festhalten. Dies spiegelt sich in dem Kern unseres Gottesdienstes, der Wandlung wider. Wer sich auf diese Wandlung, auf die Begegnung, die Nähe Gottes einlässt, dem ermöglicht Gott jetzt schon so zu leben, dass er als Sohn und Tochter Gottes erkannt wird. Zeugnis abzulegen steht im Zentrum des heutigen Evangeliums. Zeugnis wofür? Was wäre das für ein Zeugnis, dass die anderen so in Rage bringt? Was für ein Zeugnis kann dazu führen, das da solcher Hass zu spüren ist? Verfolgung, Gefängnis, sogar Tod von einigen? Es ist eine ganz moderne Frage. Begleitend zur Klimakonferenz in Brasilien in diesen Tagen ist viel über den Umgang mit der Schöpfung und den begrenzten Ressourcen unserer Erde zu lesen. Wer sich da engagiert zu Wort meldet, muss mit Beleidigungen und Hass rechnen. Jesus verkündigt den Menschen seiner Zeit den Anbruch der Gottesherrschaft. Es ist etwas, worauf sie gewartet haben, und doch wird es anders, als sie es erwartet haben. Jesus sagt nicht, Gott ist immer gut, …sondern euer Gott, der Vater, will sich jetzt so mitteilen, dass ihr Gottes Willen entsprechend leben könnt. Die Anstrengung, das eigene Leben zu führen, bleibt.
Menschen, die so leben, laufen Meinungsmachern nicht nach. Sie sind bereit sich der Weisheit Gottes zu öffnen, Zeugnis abzulegen für den lebendigen Gott. Die Werbung möchte beispielsweise Konsumenten, die sich im Hier und Jetzt ganz einrichten. In den kommerziellen digitalen Plattformen versuchen Interessengruppen andere dazu zu bringen, nicht auf Benachteiligte oder kommende Generationen zu achten.
Diese Interessengruppen können den Ruf ,,Komm Herr Jesus, komme bald" nicht brauchen. Christen entziehen sich eher einem Konsumdruck. Sie können sich Weisen des Miteinanders vorstellen, die nicht auf Ausbeutung der Natur und weniger privilegierten Mitmenschen basieren. Sie müssen dabei mit Anfragen und Anfeindungen rechnen. Denn dann stützen sie nicht die Wirtschaft, das Wachstum, bislang zentrale Werte unserer Gesellschaft. Wobei seit über 50 Jahren klar ist, der Wert Wachstum kann nicht tragfähig sein. Wer sich der Begrenztheit des Lebens stellt, damit rechnet, dass es nicht ewig dauert, dass es den eigenen Tod gibt, dem wird sich manches anders darstellen. Dann verliert die Frage nach den neuesten Nachrichten an Interesse. Dann sind die schönen Äußerlichkeiten, die es ja nicht nur am Tempel gab, sondern, die auch heute noch existieren, Äußerlichkeiten. Diese Perspektive wird die irritieren, die sich ganz aufs Diesseits eingestellt haben.
Die Frage bleibt: Wofür geben wir durch unser Leben Zeugnis?
Wie hören wir Jesu Worte – gerade wenn sie unsere selbstverständlichen Lebensvollzüge anfragen?
Ich finde, die Verbundenheit mit der Weltkirche kann helfen. Unter uns sind beispielsweise regelmäßig Glaubensgeschwister aus anderen Kontinenten. Sie könnten erzählen, wie andere Weisen des Lebens möglich sind, Weisen die mehr auf das gemeinsame Haus achten, von dem Papst Franziskus vor 10 Jahren in seiner der wegweisenden Sozial- und Umweltenzyklika Laudato si‘ gesprochen hat. Der Kontakt mit ihnen wird helfen, eigene Lebensmuster zu verändern.
Was kann ein gutes Zeugnis von Glaubenden sein, auch wenn sie nicht so dramatisch verfolgt werden, wie es im Evangelium angesprochen wird und in manchen Teilen der Welt ja leider auch der Fall ist? Zuhören ist da wichtig, und so einen Ort zu schaffen für den Wunsch nach Annahme und Verstehen.
Wie kann sich diese wichtige Seite des Zeugnisses der Kirche am Ort, der Gemeinde zeigen? Menschen versammeln sich im Namen Jesu und in dieser Gemeinschaft wird etwas von der heilenden Gegenwart Gottes spürbar wird. Für mich zeigt sich dies gut in einem besonderen monatlichen Gottesdienstformat, dem Heilungsraum in Aidlingen, einem Ort im Dekanat Böblingen, jeweils am letzten Donnerstag des Monats.
Vielleicht helfen in solchen Begegnungen ja 2 der Schlusssätze aus den heutigen Schriftstellen. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen, und für Euch aber wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen und ihre Flügel bringen Heilung.
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