Besuch bei Maria und Martha – 16 So im JK

Biblische Lesungen:

  • 1.Lesung Gen 18,1-10a
  • Evangelium Lk 10,38–42

Einführung:

Unser Leben sei ein Fest – haben wir gesungen. Wenn wir uns versammeln, dann nehmen wir den Alltag mit seinen Sorgen und Mühen mit. Vermutlich war manches in der vergangenen Woche so, dass dieses Fest in den Hintergrund rückt. Jetzt, von Jesus zu seinem Tisch geladen, dürfen wir die Sorgen und Mühen bewusst ruhen lassen.

Anliegen des Berufs, der Familie, der Hobbies, der persönlichen Situation, sie sind da, aber brauchen uns jetzt nicht bestimmen.

Im Hören auf Gottes Wort suchen wir die richtige Gewichtung, die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Und so Zugang zu einer Freude finden, die auch anders ist – als Grundlage des Festes, zu dem Jesus uns einlädt.

Evangeliumstext nach F. Stier

Als sie weiterwanderten, kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn in ihrem Haus auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria gerufen wurde. Die hatte sich dem Herrn zu Füßen gesetzt und hörte sein Wort.\
Marta aber musste sich schinden mit vielen Diensten. Und sie trat auf und sprach: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein dienen läßt? Sag ihr doch, dass sie mit mir zufasst.\
Der Herr aber hob an und sprach zu ihr: Marta, Marta! Du sorgst dich und regst dich über vieles auf; aber man braucht nur eins. Maria hat sich also den guten Teil gewählt, der ihr nicht genommen werden soll.

Predigt: Liebe Mitchristen

Auch an diesem Sonntag wird ein sehr bekanntes Evangelium verkündet. Daher habe ich heute statt der üblichen Übersetzung die Fassung von Fridolin Stier gewählt, einem Tübinger Theologen. Sie haben den Anfang noch im Ohr: Jesus kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn in ihrem Haus auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria gerufen wurde. Die hatte sich dem Herrn zu Füßen gesetzt

Wenige Worte reichen um zu dieser Situation innere Bilder entstehen zu lassen. Diese Bilder passen zu unseren Lebenserfahrungen und zu Gedanken, die wir mit dieser Erzählung verbinden. Wie war das damals für die Zeitgenossen des Lukas?

Die damalige Gesellschaft hatte deutlich weniger Raum für Frauen und deren selbstbestimmtes Leben. Martha, ihr Name bedeutet übersetzt Herrin, Gebieterin, verhält sich schon ungewöhnlich. Ihr Name beschreibt ihr Selbstverständnis. Sie nimmt Jesus also einen Mann, der von weiteren Männern begleitet wird, bei sich auf. Sie ist aktiv und darin auch ein Vorbild für uns – Jesus aufzunehmen ins eigene Lebenshaus, ist eine wichtige Vorstellung unseres Glaubens.

Maria sprengt mit ihrem Verhalten die damaligen Rollenvorstellungen. Als Schülerin setzt sie sich dem Meister, dem Lehrer zu Füßen, ist bereit von Ihm zu lernen, ist damit auch bereit, selber Meisterin zu werden, das, was sie gelernt hat, anderen Schülern und Schülerinnen weiterzugeben. Heute ist diese Rolle für Frauen nicht mehr ungewöhnlich. Aber sie bleibt umkämpft – von Frauen, wie in dieser Geschichte, ebenso wie von manchen Männern.

Jesus antwortet Martha am Schluss der Geschichte, Du sorgst dich und regst dich über vieles auf, aber man braucht nur eins.\
Was braucht man? Was bräuchten Sie? Wie dieses eine benannt wird, ist sicher unterschiedlich für jeden und jede in unserer Gemeinschaft. Deutlich ist es geht um eine Entscheidung, eine Priorität.

Diese Begegnung von Jesus und den beiden Frauen zeigt ein spirituelles Grundmuster, zB. für das Bibelteilen ebenso, wie für andere Formen der Beschäftigung mit dem Wort Gottes. Worauf sich Menschen konzentrieren, entscheidet oft über das, was sie wahrnehmen. Darauf weisen uns auch Philosophen hin, wie zB Hans-Georg Gadamer, der mit Beobachtungen dieser Art zum Verstehen auch das wissenschaftliche Arbeiten geprägt hat. Jede Person, die sich ehrlich und für andere nachvollziehbar mit einer Frage auseinandersetzt, sollte sich ihres Interesses bewusst werden und dieses benennen. Wenn eine Frage zur Sicherheit der Kernkraft von einem Umweltschutzbund untersucht wird, fallen andere Dinge auf, als wenn sie ein Unternehmen der Energieindustrie betrachtet. So lohnt es sich, über das Interesse nachzudenken, sich darüber bewusst zu werden, damit dann auch die Wahrnehmung klarer wird.

Besonders spannungsreich wird es, wenn das eigene Interesse mit dem kollidiert, was üblich ist, was man so tut. Das erlebt in dieser Geschichte Maria mit ihrem Verhalten als Schülerin.

Dazu kommt dann noch ein weiterer Konflikt – die Schwester Martha hat ja auch ein Interesse: Eine Frau, namens Martha nahm Jesus auf. Was könnte nach Ihrer Phantasie, Martha dazu bewogen haben, Jesus aufzunehmen? Was könnte Sie selber dazu bewegen, gastfreundlich zu sein, Jesus aufzunehmen?

Dann heißt es, Martha musste sich schinden mit vielen Diensten. Sich schinden müssen ist im Leben oft angesagt. Vieles ist schwer und muss errungen werden. Wer sich schindet, fühlt sich oft allein. Selbst wenn es nicht stimmt, fällt es schwer, andere in solchen Situationen zu spüren. So kommt bei vielen Hörenden Sympathie auf, wenn sie Marthas Frage hörten. Herr kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein dienen lässt? Durch das Schinden gewinnt ein nicht allzu großen Konflikt an Bedeutung. Martha ärgert sich, weil die zur Bewirtung nötige Hausarbeit an ihr hängen bleibt, während ihre Schwester als Schülerin, Jüngerin Jesu Worten lauscht.

Kennen Sie solche Situationen, solche Konflikte? Wie gehen Sie damit um? Martha jedenfalls wartet eine mögliche Antwort Jesu gar nicht ab. Sie versucht, Jesus mit leichtem Druck auf ihre Seite zu bekommen. Sag ihr doch… Jesus lässt sich nicht darauf ein, ist dafür nicht zu haben. Was könnte Martha in Ihrer Phantasie hören, wenn sie auf Jesu Antwort warten würde? Würde es Jesus kümmern? Was könnte Martha von Jesus lernen?

Jesu Antwort entschärft den Appell, den Druck und die Unstimmigkeit. Er gibt Maria Recht, ohne Martha zu verurteilen, durchbricht so Erwartungen, die Menschen an sich und andere stellen. Das Hören auf Gott wird Menschen nicht untätig bleiben lassen.

Martha könnte in meiner Phantasie lernen Weniger ist mehr. Mir kommen Erzählungen aus der Zeit nach dem Krieg in den Sinn, wo trotz weniger Wohlstand bei der Bewirtung in der Gastfreundschaft tiefe Begegnung und Gemeinschaft möglich wurde. Manches an Arbeit im Haus, manches an Schinderei braucht es nicht für Gemeinschaft, sondern nur, damit die Gastgeberin sich gut im Vergleich mit anderen wahrnimmt. Was ist mein Interesse — darf dann wieder gefragt werden.

Gott geht es um Beziehung. Der Gegensatz zwischen beiden Schwestern ist da nicht groß. Martha nimmt Jesus auf – eine wichtige Grundlage. Maria ist bereit von IHM zu lernen – der nächste Schritt.

Das Hören auf Gott, das Lernen sollte oft vor dem Handeln stehen, der Sonntag mit seiner Ausrichtung auf Gott ist nicht umsonst der erste Tag der Woche im Verständnis der Christen. Das meint nicht, dass es nur noch Sonntag gibt. Maria wird, wenn sie von Jesu lernt, nicht nur sitzen bleiben können. Das Bibelteilen ist dafür ein gutes Beispiel. Wie Maria versammeln sich die Teilnehmenden in der Gruppe um Gottes Wort. Im vorletzten Schritt fragen sie sich dann, was möchte der Abschnitt aus der Bibel uns heute für unseren Alltag sagen. Ein christlicher Lebensstil weiß sich wie Jesus Christus selbst dem Hören auf Gott vor dem Handeln in der Welt verpflichtet. Die Geschichte verliert ihre Bedeutung, wenn statt des Vorrangs eine Alternative gesehen würde, wenn es also nicht mehr darum geht, was kommt zuerst, sondern ein entweder oder diskutiert wird.

Die Schilderung der Lesung kann uns dabei helfen. Die Gastfreundschaft, die im Leben des Abraham Begegnung mit Gott ermöglicht, ist ein hoher Wert, etwas Besonderes, der Mühe wert. Auch andere Erzählungen und Ermahnungen aus der Bibel legen Wert auf das Umsetzen von dem, was im Wort Gottes deutlich wurde. So macht das Evangelium heute nicht fleißige Frauen nieder. Es schenkt denen Zuversicht, die sich auf neue Wege mit Jesus einlassen – dabei auch überkommene Konventionen ignorieren. Es ermutigt dazu, nicht einfach drauflos zu schaffen, sondern immer wieder innezuhalten, um so Gott und seinen Auftrag zu erkennen und sich dann frohen Mutes und mit der Gewissheit seiner Nähe und seines Segens einzusetzen.

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